Vorwort

2017 ist ein besonderes Jahr. Nicht nur bin ich zum ersten Mal auf eigene Faust und solo in Island trekken gewesen. Ich habe mir auch einen lange gehegten Wunsch erfüllt und das höchste Gebirge der Erde besucht: den Himalaya Nepals. Das Trekking dort hat seine eigenen Herausforderungen, zunächst natürlich am offensichtlichsten die schiere Höhe, auf der man sich bewegt, verbunden mit der Frage, wie man damit zurecht kommt. Dann gibt es natürlich eine sprachliche Barriere und jede Menge Bestimmungen, die eingehalten werden wollen, vom Visa für die Einreise bis hin zur Zugangserlaubnis für Schutz- und Wandergebiete, die Permits. Da letzteres kaum oder gar nicht ohne lokale Kontakte und Hilfe zu bekommen ist, bin ich gerne der Empfehlung einer Bekannten gefolgt, einen bestimmten, lokalen Anbieter für Trekkingtouren zu kontaktieren, der nicht nur die Führung des Treks selbst übernimmt, sondern sich auch um all diese Formalitäten vor und während der Tour kümmert. Montain Ram Adventures hat sich dabei als echter Glücksgriff erwiesen und war ein Tourenanbieter, wie man ihn sich nur wünschen kann. Da ich populäre Treks wie den Annapurna Circuit oder den Everst Base Camp Trek vermeiden und mir etwas ruhigeres suchen wollte, fiel die Wahl auf den Manaslu Circuit, der in gut zwei Wochen den achthöchsten Berg der Erde gegen den Uhrzeigersinn umrundet. Mit mir unterwegs war meine Bergkameradin Marie, mit der ich zuvor schon etliche Wanderungen in den Alpen unternommen hatte. Anfang Oktober stieg ich also in den Flieger, um das Abendteuer Himalaya in Agriff zu nehmen.

Tag 1/2 Anreise

Der Flug mit dem A380 nach Dubai hat fast 1h Verspätung, ist dann aber bis kurz vor der Landung ruhig. Dubai, die Stadt in der Wüste, sieht irre aus von oben. Die höchsten Wolkenkratzer der Erde. Mir schlagen 30° entgegen und das früh um 8. Minutenlang geht es mit dem Shuttle zu Terminal 2, dort mehrere Stunden Aufenthalt bis zum Weiterflug. Der erfolgt dann pünktlich. Gelegentlich schlafe ich ein, schaue mir aber auch viel die Landschaften Pakistans, Irans und Indiens von oben an – Wüsten, Gebirge, der Rawalpindi. Richtung Nepal türmen sich Wolken auf, zwischen denen wir durchfliegen. Einzelne Berge des Himalayas ragen versteckt dazwischen empor. Riesen! Die Landung auf der schlecht beleuchteten Landebahn in Kathmandu ist hart, die Maschine federt nochmal richtig hoch. Die Einreise per Visum klappt problemlos, ebenso die Gepäckausgabe. Dann treffen wir erstmals Ram, den Leiter unseres Trekkingveranstalters, ein sympathischer Bursche auf den ersten Blick! Mit ihm und seinem Fahrer geht es in die Stadt. Erste, überwältigende Eindrücke vom nächtlichen Kathmandu – wuselig, arm, an vielen Stellen schmutzig. Unser Viertel Thamel belebt, laut, voller Lichter und Gerüche, guten und schlechten, sowie zahlreichen Touristen. Unser eigentlich gebuchtes Hotel ist überbucht. Eine Alternative, die Ram schnell auftreibt, gefällt ihm nicht. Das Hotel Avataan nimmt uns dann für die erste Nacht auf. Nach einem kurzen Bummel in den Gassen Thamels und einem guten Curry für wenig Geld beginnt die erste Nacht in Asien.

Tag 3 Kathmandu

Ganz gut geschlafen. Frühstück gibt es auf der Dachterrasse. Sonnig ist es und warm. Müsli, Brot mit Marmelade, Tee – noch recht europäisch. Dann steht ein Besuch bei Ram auf dem Plan, er ist allerdings nicht da. Daher erstmal die Stadt bei Tageslicht anschauen. Eigentlich ist der einzige Unterschied, dass die ganzen Leuchtreklamen aus sind und die Lichterketten. Ansonsten ist es ein ähnliches Tohuwabohu wie nachts, außer, dass man den Schmutz in den Straßen noch deutlicher sieht. Die ungeteerten, staubigen Straßen, die streunenden Hunde. Wir durchstreifen Thamel bis runter zum Durbar Square, dessen Besuch für nach dem Trek geplant ist. Immer wieder wird man angesprochen, ob man etwas kaufen möchte oder ein Taxi braucht, oder dass der Bart geil ist, oder was die Kamera gekostet hat – woraufhin man sich einen völlig überteuerten Tigerbalm andrehen lässt. Baustellenabsperrungen bestehen aus Stöcken oder Steinen. Auf den Tempeln sitzen hunderte von Tauben, und Tempel gibt es überall. Fleisch liegt offen halb in der Sonne auf dem Markt. Wieder zurück zu Ram, mit dem wir restliche organisatorische Dinge klären. Wir brauchen noch Passbilder für Permits und ich eine nepalesische SIM Karte. Beides kriegen wir drei Ecken weiter für umgerechnet zusammen 2,40€. Dann lernen wir unseren Guide Pawan kennen, ein zurückhaltender, freundlicher und sehr erfahrener Guide – er führt Trekkings schon seit 1993. Anschließend Essen und noch ein paar restliche Besorgungen, nachdem wir uns Mittags schon mit Snacks eingedeckt hatten. Dann stellt sich heraus, dass ich kein Geld abheben kann – wohl wegen eines Tageslimits, das ich schon fast erreicht habe. Marie springt ein, damit wir für den Trek genug Bares dabei haben.

Tag 4 Kathmandu – Arughat

Früh raus, packen, dann Pawan treffen und mit dem Taxi zum Busbahnhof. Organisiertes Chaos, aber wir finden unseren Bus, der sich pünktlich um 7 in Zentimeterarbeit vom Platz bewegt. So wird es im Laufe des langes Fahrtages auch noch unzählige weitere Male der Fall sein. Kathmandu ist riesig und unübersichtlich. Je weiter man raus kommt, desto noch ärmlicher und heruntergekommener sieht alles aus. Eine Art „Reisebegleiter“ im Bus steht in der offenen Tür und schreit beim Passieren von Haltestellen den Zielort hinaus: Arughat! Arughat! Arughat! Wer darauf nicht reagiert hat Pech gehabt. Aber es funktioniert auf irgendeine seltsame, geheime Art und Weise dann doch. Kurz stehen wir im Stau. Die Straße ist jetzt schon miserabel, allerdings wir am Ende des Tages überhaupt nichts mehr übrig sein, was man als Straße bezeichnen könnte. Langsam wird die Bebauung dünner, die Straße steigt an und führt zu einem kleinen Passübergang – der Rand Kathmandus ist erreicht und man ist mitten drin in einer grandiosen Gebirgslandschaft. Alles grün hier, und nach einigen Minuten blitzen erstmals weiße Giganten am Horizont auf. Was für ein Moment. Viel Verkehr ist hier, sehr volle Busse. Das öffentliche Verkehrsmittel Nr. 1, ganz klar. Am ersten Stop bestätigt sich auch ein Gerücht, nämlich, dass Nepalesen das Bus fahren nicht so gut vertragen. Der erste kotzt direkt in den Straßengraben neben dem Bus. Oder liegt es an den Bollywood-Musikclips, die schon seit Beginn der Fahrt auf einem Monitor (!!!) im Bus gezeigt werden? Jedenfalls ist alles in etwa so, wie man sich eine asiatische Busfahrt vorstellt. Die Straße führt nach Westen Richtung Pokhara. Je weiter weg von Kathmandu, desto weniger wird der Verkehr. Ein Bach zunächst nur schwillt zu einem ordentlichen Gebirgsfluss an. Irgendwann wird er überbrückt und es geht nach Norden ins Hügelland hinein. Die Straße wird steiler, kurviger, von Straßenbelag ist immer weniger bis schließlich gar nichts mehr zu sehen. Ausweichmanöver werden zunehmend enger, aber es klappt immer um Haaresbreite. Wir kommen nach Dhading Besi. Es ist richtig warm und der Ort an sich eigentlich ein Kathmandu in klein. Danach wird die Straße zwar noch übler, aber dafür auch die Landschaft immer grandioser. Weite, grüne Reisterrassen säumen den Weg, zur Seite geht es direkt neben dem Bus steil bergab. An einer der zahllosen „Imbissbuden“, natürlich mit Tuborg-Schild, gibt es Mittagesen: Dal Bhat, sehr gut! Am Bus muss ein Reifen gewechselt werden. Wir treffen unseren Träger Dinesh, der aus dem Ort kommt. Pawan kommt ebenfalls aus der Gegend. Nun in Richtung Arughat wird die Straße noch schlechter. Es rumpelt, kracht, schaukelt, dazu wird es richtig voll im Bus. Die Straße staubt irrsinnig und Bollywood lärmt immer noch (nur ohne Bild inzwischen). Kurz vor Arughat folgt noch ein weiterer Stop und dann ist das Dorf nach 9h Fahrt endlich erreicht. Bettelarm wie erwartet, die Unterkunft View Manaslu macht einen recht heruntergekommenen Eindruck von Außen, der Innenhof ist allerdings richtig schön. Es ist schwülwarm. Das Zimmer hat ein eigenes „Bad“. Nach dem Essen – Dal Bhat! – wartet dort eine fette Spinne. Egal, morgen geht der Trek und damit das Abendeuer richtig los!

Tag 5 Arughat – Soti Khola

5 min vorm Wecker um 6 bin ich wach. Nach kurzem Packen gibt’s ein gutes Porridge mit Banane und dann geht’s los. Der Himmel ist zu Beginn noch hochneblig bewölkt, reißt aber schnell auf. Zunächst geht es entlang von Straßen und Wegen durch Arughat. Der Ort ist größer als zunächst angenommen. Viele Straßengeschäfte wieder und man fragt sich immer wer das alles kaufen soll.

An der Polizeiwache machen wir halt, da Pawan die Permits checken lassen muss. Dann weiter entlang der geraden Dorfstraße bis zum Ortsende. In der Ferne blitzen 7000er schneeweiß auf. Rechts tief unten rauscht der Fluss, am anderen Ufer erheben sich Reisterrassen. Wolkenfetzen hängen in den Hängen, das Grün der Pflanzen knallt, bunte Blüten überall. Was für eine Szenerie. Die Befürchtung, die erste Etappe könnte etwas eintönig sein ist sofort vergessen.

Wir kommen an kleinen Höfen vorbei, nicht mehr wie Bretterverschläge. Kinder kommen uns aufgeregt entgegen mit strahlenden Augen, begrüßen uns und wollen Süßigkeiten. Wir geben ihnen ein paar Riegel. Nach zwei Stunden machen wir Pause an einem Kiosk. Dort kaufen wir Bonbons für die Kinder – 1 Rs das Stück, weniger als 1ct. Dinesh kauft mir Instantnudeln zum Knabbern, ist mir fast etwas unangenehm, der arme Junge hat gut zu schleppen. Ich schenke ihm eine Packung Kokos im Gegenzug. Die Instantnudeln zu knabbern ist nicht so übel, ist fast ein bißchen wie Chips. Dann geht’s weiter, es ist schon heiß, wird aber immer wärmer. Der Weg führt mit nur wenig auf und ab ins Tal hinein. Wir queren, abgesehen von der Brücke über den Fluss in Arughat, unsere erste kleine Hängebrücke über ein kleines Seitental. Ich bin auf die längeren Brücken gespannt! Esel begegnen uns kurz vor Soti Khola und um halb 12 bereits sind wir dort – das Ende einer ersten Etappe, die schon so eindrucksvoll war, dass man kaum glauben kann wie sich das noch groß steigern soll. In Soti Khola sind wir in der ABC Lodge untergebracht, einfach aber gut, sogar Handynetz gibt es. Klamotten waschen an der Wasserstelle, danach zu Mittag natürlich Dal Bhat! Um dem Ranzenspanner entgegenzuwirken kleiner Verdauungsspaziergang. Entlang des einzigen Weges bis gleich nach dem Dorf eine Hängebrücke kommt. Links das steile Tal hinauf sind Wasserfälle zu sehen, die die Steilwände hinabstürzen. Unten Richtung Fluss am Bachufer steht ein apathischer Esel. Der Sand im Bachbett glänzt wie Silber durch den enthaltenen Glimmer. Flussaufwärts ist eine große Hängebrücke zu sehen über die immer wieder Eselskarawanen kommen. Dorthin noch auf steinigem Weg. Die Hängebrücke ist wirklich hoch und weit.

Direkt darunter füllen einige Leute Säcke mit Sand, die anschließend auf die Esel gepackt werden. Auf der anderen Seite schwirren dutzende Libellen durch die Luft. Wieder zurück in den Ort, der inzwischen voller Esel ist. Vor dem abendlichen Dal Bhat beginnt es zu regnen. Dicke Tropfen, aber nicht lange. Als es aufhört versuche ich einen natürlichen Pool im Bach zu finden, von dem Pawan gesprochen hat, leider allerdings vergeblich. Nass werde ich trotzdem, da es wieder anfängt zu regnen. Nach dem Essen geht’s ins Bett. Zum Rauschen des Flusses schlafe ich früh und schnell ein.

Tag 6 Soti Khola – Machha Khola

Früh gibt es sehr gute Chapati mit Marmelade und einen Ingwertee. Start wieder um halb acht, zunächst entlang des Weges vom Spaziergang am Vortag. Auch danach geht der Weg breit aber sehr steinig weiter und steigt hoch über den Fluss auf. Immer wieder kommen wir durch kleine Orte in denen die Leute in einfachsten Verhältnissen leben. Das Tal wird immer enger, eher eine Schlucht, unten tost der Fluss Budhi Gandaki. An einer einzelnen Hütte kurze Rast, danach bietet sich hoch über dem Fluss ein sensationeller Blick in die Schlucht, auf die Berge ringsherum und auf den Weg, der hier erst vor kurzem in den Hang gesprengt wurde. Vorher verlief er hier wohl als schmaler Pfad im Grunde in der Senkrechten. Nicht böse drum, dass das inzwischen nicht mehr so ist, in Tal pfeift es heftig hinab. Auf dem weiteren Weg queren wir immer wieder Felsstürze, kleine und riesige, hervorgerufen durch das heftige Erdbeben 2015.

Das Tal hat sich bei Lapubesi wieder geweitet, der Fluss fließt in einem breiten Schotterbett und Reisterrassen säumen wieder den Weg. In dem Dörfchen fordern die Kinder wieder Süßigkeiten ein. Wir geben ihnen unsere letzten Bonbons. Wenig später erreichen wir das großartig gelegene Nyauli Khola, wo wir Mittagspause machen. Auf einer regelrechten Panoramaterrasse gibt es Knoblauchsuppe. Direkt am Haus beginnt eine Hängebrücke über einen Bach, der oberhalb einen riesigen Wasserfall formt. Auch auf dem steilen, gegenüber liegenden Ufer stürzen immer wieder Wasserfälle zu Tal. Hinter der Brücke ist der Weg nurmehr ein Trampelpfad in der Felswand. Sehr viele Esel sind unterwegs heute, immer wieder weichen wir ihnen aus. Als der Weg nochmal bis runter zum Fluss führt treffen wir auf zwei Hütten. Dort, unter Bambusrohren und Planen machen wir eine kurze Pause. Süßigkeiten für die Kinder kosten jetzt 5 Rs, statt 1Rs wie beim letzten Mal. Immer noch wenig, aber es ist zu erwarten, dass die Preisentwicklung so weiter geht, je tiefer man ins Tal gelangt und je abgelegener es ist. Der Weg steigt wieder etwas an und hinter einer Ecke kommt Machha Khola in Sicht, wunderschön gelegen auf einem Schwemmfächer im Tal. Kurz darauf sind wir in der Lodge. Sehr schön ist es hier, die Häuser bunt. Die Lodge ist ebenfalls ziemlich hübsch, verschachtelt über mehrere Stockwerke. An einem Wasserbecken „dusche“ ich kurz. Als wir das Dorf etwas erkunden wollen, nimmt uns ein kleines Mädchen in Beschlag und will nicht mehr von uns weichen. Die Kamera ist besonders interessant. Vor dem Abendessen (Dal Bhat!) entspannen und lesen auf dem Bett. Abends ist noch eine Expedition angekommen, die wohl auf dem Gipfel (des Manaslu) war. Nach dem Essen beginnt es zu regnen. Wenn es weiterhin so ist, dass er immer erst abends anfängt, ist alles ok.

Tag 7 Machha Khola – Jagat via Dobhan

Heute sind wir länger unterwegs, daher starten wir eine halbe Stunde früher. Frühstück Chapati und ein sehr, sehr guter Ingwertee. In Machha Khola geht es zunächst ins obere Dorf und dann durch Gemüsegärten, die eher wie botanische Gärten aussehen, bevor wir eine Hängebrücke überqueren. Anschließend verläuft der Weg häufig im Wald in der tiefen, schmalen Schlucht des Budhi Gandaki. Durch den nächtlichen Regen und die schattigen Wege ist es feucht bis matschig, der Weg mit Steinen gespickt, weshalb man auf seine Füße achten muss. Nach und nach wird die Schlucht immer schmaler, unten tobt der Fluss. Der Weg ist teilweise in die senkrechten Wände reingehauen. Aus Steinplatten sind Treppenstufen gelegt. Immer wieder kommen wir auch an den singenden Bäumen vorbei. Die Sonne fällt durch die steilen Seitentäler schräg ins Haupttal, im Gegenlicht leuchten die Bäume auf der anderen Seite des Flusses. Moose und Lianen verstärken den Eindruck eines Dschungels.

Bathed in light

An einem wunderschön bunten Hof machen wir eine kurze Pause. Dort ist eine heiße Quelle eingefasst, nachdem wir schon kurz vorher Schwefelablagerungen entdecken konnten. Katzenwäsche mit 38° warmem Wasser – toll!. Die Schlucht bleibt weiterhin steil, an manchen Stellen fast wie eine Klamm. Plötzlich sehe ich etwas großes, das sich ein einem Baum bewegt: Affen! Was für ein Anblick, erstmals wild lebende Affen! Wir queren den Budhi Gandaki über eine weitere Hängebrücke und steigen durch ein Steinschlaggebiet. Wenig später erreichen wir Dobhan mit ganz neuen, schönen Gästehäusern. Bevor es Mittagessen gibt (Momos) erzählt Pawan noch wie er das Erdbeben in 2015 erlebt hat. Im Schatten und mit kühlendem Wind ist es sehr angenehm. Nach knapp 2h Mittagspause geht es weiter.

Durch einen Kessel, rechterhand ein Berg der aussieht wie der Rücken eines Drachen. Dann überqueren wir einen riesigen Bergsturz. Auch auf der anderen Talseite kam viel Schutt runter, sodass der Fluss regelrecht eingeklemmt wurde. Danach steigt der Pfad immer mehr an, teilweise richtig steil über Stufen aus Stein. Der Budhi Gandaki tobt inzwischen tief unter uns in seinem Flussbett. Gelegentlich tun sich Blicke nach hinten auf. Dinesh hat etwas Schmerzen im Knie, hoffentlich wird es nicht schlimmer. Abrupt beruhigt sich der Fluss wieder und fließt nun mäandrierend durch einen breiten Talgrund. Hier in einem kleinen Dorf machen wir nochmal Pause. Danach folgt noch eine weitere Hängebrücke und ein aufwendig gebauter Galerieweg an einer senkrechten Felswand. Noch eine Hängebrücke, um wider auf das Westufer des Budhi Gandaki zu gelangen. Kurz darauf taucht dann unser Tagesziel Jagat auf einer Anhöhe auf. Umgeben von riesigen, mehrere hundert Meter hohen Felswänden, die senkrecht zum Fluss hin abfallen, liegt es auf einem kleinen Vorsprung über dem Fluss. Ein paar Minuten erreichen wir gepflasterte Straßen, aus Steinplatten aufgeschichtete Häuser. Die Einwohner hier haben es sich wunderschön gemacht. Wahrscheinlich haben sie kaum mehr als die aus den anderen Dörfern, aber der Ort macht einen ganz anderen Eindruck. Zu Abend gibt’s wieder Dal Bhat mit einem riesigen Nachschlag. Morgen steht lediglich eine 4h Etappe an, sodass wir gegen Mittag durch sein sollten.

Tag 8 Jagat – Ekle Batthi

Nachts ist es nun nicht mehr so schwülwarm. Das ist angenehm und auch gut für den Schlaf, obwohl ich auch bisher nicht schlecht geschlafen habe. Nach Chapati mit Marmelade und einem erneut sehr guten Ingwertee (das können sie hier einfach) geht es erst gegen 8 gemütlich los. Nach einem kurzen Abstieg wartet auch schon direkt die erste Hängebrücke und ein luftig in den Fels gehauener Wegabschnitt auf uns. Ich fühl mich etwas schwächlich heute morgen, aber das verfliegt nach ein paar Schluck Wasser bald. Vielleicht liegt es auch daran, dass der Rucksack etwas schwerer ist, da wir ein paar Sachen aufgeteilt haben, um Dinesh bzw. sein Knie etwas zu entlasten. Salleri ist der nächste Ort, ähnlich pittoresk wie Jagat, mit gepflasterten Straßen und Steinhäusern.

Am Ortseingang geht man durch eine Stupa – der tibetanische Einfluss nimmt langsam zu. In dem Ort erwartet uns eine Horde Kinder, die uns umringen und mit ihrem mantraartigen „Gimme chocolate“ eher an Zombies erinnern. Wie geben alle unsere Kaugummis auf einmal ab. Ab jetzt haben wir leider nichts mehr. Wasser kostet inzwischen 230-250 Rs und wir müssen etwas auf unsere Bargeldbestände achten. Hinter dem Dorft steigt der Weg mäßig steil bis hoch über den Fluss an. Vor uns türmt sich äußerst imposant die Shringi Himal auf (ca. 7100m). Was für ein Anblick!

Die gewonnenen Höhenmeter gehen dann wider verloren beim Abstieg fast bis auf Höhe des Flussbetts. Teilweise ziemlich große Eidechsen huschen über den Weg. Nachdem der Fluss über die bisher längste Hängebrücke gequert ist, geht es wieder steil bergan nach Philim. Hier unterhalte ich mich mit einem Nepalesen, der in London beheimatet ist, in Flensburg studiert hat, für Oxfam arbeitet und dessen Gruppe ins Tsum Valley unterwegs ist. Wir durchqueren Philim, während links von uns der Fluss in einer tief eingeschnittenen, fast senkrechten Schlucht rauscht. Schleierartige Wasserfälle stürzen hier in die Tiefe. Einzelne Häuser oder kleine Dörfer krallen sich zwischen einigen Reisterrassen an den Hang. Kurz darauf erreichen wir Ekle Batthi und damit schon das Ende der heutigen Etappe. Da die gestrige recht lang war, kommt so ein kurzer Tag nicht ungelegen. Außerdem können wir hier im eiskalten Quellwasser mal etwas waschen (und haben danach v.a. Zeit es trocknen zu lassen), Körperhygiene betreiben und entspannen. Zu Mittag gibt es ein gutes Kartoffencurry. Einen SPOT kann ich zum Glück auch mal absetzen, denn weiterhin gibt es hier keinerlei Netz, um mal eine Statusmeldung nach Hause durchzugeben. Um Geld zu sparen, filtere und desinfiziere ich außerdem zum ersten Mal selbst Wasser, da das kalte Quellwasser selbst schon einen guten Eindruck macht. Ansonsten sitze ich auf einem schönen Balkon und genieße die Aussicht über das Dorf und auf die Berge ringsum.

Tag 9 Ekle Batthi – Bihi Phedi

Es wird tatsächlich immer schwieriger, die ganzen überwältigenden Eindrücke in kurzer Zeit zu verarbeiten oder sacken zu lassen. Nach klassisch Chapati und Ingwertee geht es heute um halb 8 los. Hinter Ekle Batthi geht es zuerst ein wenig bergab. In der Ferne stürzt ein riesiger Wasserfall über eine Kante, im Hintergrund leuchten die 7000m-Gipfel des Shringi Himal in der Morgensonne. Einige Zeit stehen wir direkt unter dem Wasserfall und legen den Kopf in den Nacken. Zur Monsunzeit stünden wir hier im Wasserfall und könnten wohl nicht über den Bach gelangen, sagt Pawan.

Das Tal verengt sich nun wieder zunehmen. Der Weg ist heute aber immer wieder sandig oder feinschottrig, daher lässt es sich öfter auch ziemlich bequem laufen und man kann mehr schauen, als auf seine Füße achten zu müssen. Vorsicht ist dennoch geboten, da es zur Seite Dutzende Meter fas senkrecht zum Budhi Gandaki hinab geht. Steinig ist es natürlich auch immer wieder und es ist heute ein ständiges Auf und Ab. Wir erreichen irgendwann die Kreuzung, wo der Weg ins Tsum Valley steil nach rechts abzweigt. Gegenüber eröffnet ein seitliches Tal einzelne Blicke auf ein paar sehr hohe Berge. Wir steigen dann steil zum Fluss hinab und queren ihn über eine Brücke. Wieder steil hinauf auf der anderen Seite, bis wir kurz darauf ein paar Häuser erreichen. Rechts sieht man ein wenig ins Tsum Valley hinein. Die beiden Frauen hier an der Hütte schauen schon ziemlich tibetisch aus. Nach einer kurzen Pause geht es weiter und nach wenigen Metern kann man im Rückblick die Gipfel des Ganesh Himal sehen. Danach wird die Schlucht zur Klamm. Die Wände sind senkrecht bis überhängend und der Weg wie ein Schwalbennest an den Fels geklebt. Nach weiterem Auf und Ab erreichen wir Pewa, wo eigentlich Mittagspause geplant ist. Da wir aber gut in der Zeit sind und nur noch 1,5-2h zu gehen haben, beschließen wir, nur eine Teepause zu machen und nach Bihi Phedi weiter zu gehen und dort zu essen. Wir filtern und füllen hier aber noch Wasser ab. Die Blicke zum Shringi Himal mit den steilen, schroffen und dunklen Flanken sind phänomenal. Nach einer weiteren Hängebrücke über den Budhi Gandaki geht es kurzzeitig richtig steil hoch. An einer Stelle helfen Leitern aus Baumstämmen. Der Fels darüber ist überhängend. Oben angekommen bietet sich ein paradiesischer Blick über rote Pflanzen und eine Hütte hinweg nach hinten durchs Tal zum Shringi Himal.

Dinesh ist am kämpfen, er hätte wohl sein Dal Bhat in Pewa gebraucht. Es ist aber nun nicht mehr weit bis Bihi Phedi. Zwei extrem tief eingeschnittene Seitentäler gilt es noch zu passieren, eines davon per Hängebrücke. Der Wind hat inzwischen etwas aufgefrischt. Ein tibetanisches Tor kündigt dann von der Ankunft in Bihi Phedi. Chilis und Äpfel liegen hier. Der Ausblick hoch über den Fluss ist gigantisch. Das Zimmer in unserer Unterkunft im ersten Stock mit dem Gang davor ist toll. Nach dem Mittagessen laufen wir noch etwas den weiteren Weg entlang zu den nächsten Häusern und holen uns dort Wasser. Heute regnet es zum ersten Mal (!) abends nicht. Nach dem obligatorischen Dal Bhat geht es noch etwas Sterne kucken und anschließend in die Federn.

Tag 10 Bihi Phedi – Namrung

Start um halb 8 nach Chapati und einer erholsamen Nacht. Ab morgen dann aber im dicken Schlafsack! Ein Stück hinter Bihi Phedi queren wir einen Canyon über eine Hängebrücke. Von dort kann man hoch ins hohe Shringi Himal schauen.

Anschließend steigt der Weg weiter hoch über den Fluss an und ist meist nur ein anderthalb Meter breiter Pfad im fast senkrechten Hang. Dabei beschreibt er eine weite Linkskurve, daher ändert sich unsere Gehrichtung nun mehr nach Nord-West, nachdem wir die ersten Tage vor allem in direkt nördliche Richtung gegangen sind. Das Tal verengt sich wieder zu einer monströsen Schlucht. An einer Stelle gilt es einen kurzen Hangrutschbereich zu queren, von dem es nach links hin steil zum Fluss hinab geht. Dahinter öffnet sich das Tal wieder. Terrassierte Felder sind zu sehen, auf denen, aufgehäuft zu Kegeln, der Mais trocknet. In der Ferne steht noch der große Mond knapp über den Bergen, die hier zwischen 4000 und 5000m hoch sind. Dies ist das Tal von Ghap. Nachdem es früh recht frisch war und ich daher erstmals mit langen Klamotten gestartet bin, wird es nun wieder richtig warm. Wir gehen eben auf einem guten, flachen Weg durch das Tal. Rechts schießen himmelhohe Berge empor. Wie erreichen eine Häusergruppe mit Lodge und einer großen Stupa.

Wenig später über queren wir den Fluss abermals. Hier an dieser Stelle hat Pawan das 2015er Beben erlebt sagt er. Gleich danach machen wir eine kurze Rast. An den Hängen gegenüber schweben Adler in der Luft. Hinter dem Rastplatz ändert sich die Landschaft bald komplett. Im schattigen Südwestufer wächst ein famoser Urwald, dicht und grün, mit Lianen, Flechten und Moos an den Bäumen. Die Kiefern, die zuvor dominierten, sind verschwunden. Einzelne, riesige Nadelbäume stehen vereinzelt herum. Rechts, nicht weit unterhalb des erdigen Weges, tost der Fluss. Bäche bilden Wasserrutschen über glatte Felsen.

Wie erreichen eine große Lodge kurz vor einer weiteren Hängebrücke, an der wir Pause machen und Tee trinken sowie eine Kleinigkeit essen. Unterhalb der neueren Hängebrücke ist nicht nur ihre Vorgängerin zu sehen, sondern auch eine natürliche Steinbrücke, die der Budhi Gandaki hier in den Fels gefräst hat. Der Fluss rauscht hier wieder durch ein ganz enges Flussbett. Von nun an geht es bis Namrung fast durchgängig bergan, mal steiler, mal weniger steil, oft auch über Steintreppen. Der Wald wir immer wilder, die Bäume sind teils riesig. Unter einem besonders schönen und stark verzweigten Exemplar machen wir Pause. Im Rückblick leuchten die eisigen Gipfel des Shringi Himal weiß in der Sonne. Vor Namrung wird der Pfad immer märchenhafter, größtenteils ist er mit großen Steinplatten ausgelegt. Dann tauchen Gebetsfahnen auf, die Dutzende Meter weit über das Tal gespannt sind: Namrung ist erreicht. Steil geht es nochmal runter, da ein Erdrutsch umgangen werden muss. Dann sind wir da und als erstes grüßt der pompöse Eingang einer neuen Lodge. Wir gehen aber bis ans Ende des kleinen Ortes, bis wir unsere Lodge erreichen. Unser Quartier liegt wunderschön zwischen den Gemüsebeeten. Nach kurzer Entspannung, während wir auf Dinesh warten, gibt es eine kalte Dusche und einen heißen Machatee. Dal Bhat zum Abendessen, ein wenig Sterne kucken, SPOT und ab ins Bett.

Tag 11 Namrung – Samagaun

Heute mit kalter Nase aufgewacht, in der Höhe wird es nachts schon recht kühl. Diesmal zum Frühstück salziger tibetischer Tee – etwas gewöhnungsbedürftig. Bevorzuge doch eher den schwarzen milk tea. Hinter Namrung geht es an Häusern mit Swastika-Symbolen (in ihrer friedlichen, unverdorbenen nepalesischen Bedeutung) erstmal etwas hinab. Anschließend geht es an Steinmauern und Getreidefeldern entlang. Der Weg steigt wieder an, wie die meiste Zeit heute, da ja gut 1000 Höhenmeter netto überwunden werden wollen. Im Rückblick glänzt Ganesh Himal im Gegenlicht der Morgensonne. Am Ende dieses ersten langen Anstiegs wartet ein relativ großer, bunt bemalter Tempel mit vielen Gebetsfahnen und Gebetsmühlen. Die Sonne knallt regelrecht vom Himmel, wir legen eine Trinkpause ein.

Hinter dem Tempel werden hart erarbeitete Höhenmeter erstmal durch einen steilen Abstieg wieder vernichtet. Hinter eine Hängebrücke geht es durch sonnendurchfluteten Kiefernwald, den herrlichen, typischen Duft inklusive. Im Rücken türmen sich riesige, weiße Wände auf. Ich denke bereits, dass das der Manaslu sein dürfte. Allerdings fehlen die typischen Doppelgipfel. Und in der Tat ist es nicht der Manaslu, sondern Himal Chuli – seines Zeichens immerhin Nummer 18 der höchsten Berge der Erde, also der Vierthöchste 7000er mit 7893m.

Wir passieren ein Tor mit bunt bemaltem Inneren. Danach geht es durch Wald und wieder entlang von Getreidefeldern. Auf der anderen Talseite kleben Dörfer am Hang. Das Tal wird breiter, in der Ferne ist schon Lho und sein enorm großes Kloster auszumachen, als Pawan anhält und durch die Baumwipfel nach oben deutet: der Doppelgipfel des Manslu ist erstmals zu sehen! Der erste Blick auf einen 8000er-Gipfel!

Lho Bazar

Vor Lho steigt der Pfad kurz vor dem Ort nochmal an. In Lho gibt es Momo auf einer Terrasse mit Gipfelblick, dazu kaufen wir zum Spottpreis von 150Rs jeder sechs Mars-Riegel für die harten Tage voraus und ich spiele Fußball mit ein paar Jungen. Auch hinter Lho geht es erstmal ein gutes Stück bergab. Es kommt eine Hängebrücke in Sicht, die wir allerdings nicht überqueren. Grund ist ein riesiger Hangrutsch auf der anderen Seite. Stattdessen geht es jetzt wieder stramm bergauf, eine ganze Zeit lang. Wir folgen dabei dem Tal eines klaren Gebirgsbachs. Zum ersten Mal seit Beginn des Treks sind wir nicht direkt im Tal des Budhi Gandaki. Hinter einem WIldback lagern ein paar sehr tibetisch aussehende Nomaden. Und hinter einem Gatter treffen wir auf ihr Vieh: Yaks! Zottelige Zeitgenossen, die aussehen, als könnten sie vor Kraft kaum gehen. Ein paar Kühe sind auch dabei. Der Wald ist licht, Felsblöcke dazwischen lassen ihn urig und knorzig wirken. Am Ende eines langen Anstiegs stehen wir in Shyala. Der Ort wurde vom Erdbeben hart getroffen. Man sieht nur wenige Menschen, dafür umso mehr Ruinen. Überall wird aber wieder aufgebaut.

Wir machen in der brennenden Sonne kurz Pause. Nach Samagaun ist es nun nicht mehr weit. Es werden noch zwei lange Hängebrücken überquert, danach steigt der Weg ins breite und flache Tal von Samagaun ab und eine halbe Stunde später sind wir dort. Der Ort ist recht groß. Frauen dreschen Getreide. Vorbei an einer großen Manimauer mit Tempel. Am Ende des Ortes befindet sich der „Touristenbezirk“ mit zahlreichen Gästehäusern. Unseres bietet sogar WLAN für 500Rs, wodurch ich endlich mal wieder ein Lebenszeichen (von vereinzelten SPOTs abgesehen) nach Hause senden kann. Abends gibt es natürlich wieder gutes Dal Bhat, vor allem das Gemüse ist richtig lecker.

Tag 12 Ruhetag Samagaun & Pung Gyen Gompa

Es regnet nachts etwas. Am nächsten Morgen sind die Berge über ca. 5000-5500m leicht angezuckert. Zum ersten Mal schlafe ich auch nicht gut. Mit der Höhe hat es wohl eher nichts zu tun (obwohl Samagaun schon auf 3500m liegt), aber ich habe etwas Bauchweh und es herrscht außerdem vergleichsweise viel Lärm hier: bellende Hunde, aber vor allem Büffel direkt hinterm Haus, deren Glocken läuten und die die ganze Nacht vor sich hin grunzen. Scheinen selbst nicht zu schlafen. Im Lauf der Nacht und dank Ohropax wird’s etwas besser. Am morgen starten wir gegen 7:30 Uhr zum Kloster Pung Gyen Gompa in einem Seitental etwas unterhalb von Samagaun. Zuerst geht es ein Stück zurück, dann rechts weg an einem Steinmännchen. Der Weg folgt einem Gletscherbach steinig und teils steil bergauf.

Ein paar Leute sind unterwegs. Scheinbar doch nicht alle zum Manaslu Base Camp unterwegs. Wir wollten uns den langen und harten Weg dorthin heute auch nicht antun. Nach ein paar Wasserfällen erreichen wir eine Geländestufe. Dahinter wird es etwas flacher und es geht zwischen Moränen und Steilwänden weiter hoch. Wir kommen an zwei Zelten vorbei, an denen Snacks verkauft werden. Dann flachen sich die Moränen ab und wir stehen auf einer richtigen Hochebene. Ein unbeschreiblich beeindruckender Ort. Ringsum hohe Berge, im Süden himmelhoch und schneebedeckt. Direkt voraus die gigantische Ostseite des Manaslu-Massivs mit riesigen Gletschern.

Pung Gyen
Manaslu

Wir sind hier bereits auf ca. 4000-4100m. Zum Gipfel sind das aber gerade mal die Hälfte der Höhenmeter! Eine zeitlang schlendern wir staunend über das brettebene Tal, bis Gebetsfahnen in Sicht kommen, die in einem kleinen Seitental hängen: das Kloster ist bald erreicht. Ein Mönch findet sich dort nicht, aber die Stupa und der Blick durch die Fenster ins Innere des Tempels beeindrucken. Mehr allerdings noch das einmalige Bergpanorama außenrum. Nach vielleicht einer halben Stunde machen wir uns langsam auf den Rückweg. Im Abstieg bekomme ich ganz leichte Kopfschmerzen. Zurück in Samagaun, nach leckerem gebratenem Reis und ausreichend Wasser am Nachmittag verfliegen die aber schnell auch wieder. Abends telefoniere ich nochmal mit Julia – wer weiß, wann das das nächste Mal möglich ist.

Tag 13 Samagaun – Samdo

Besser geschlafen und auch kein Bauchweh. Heute erwartet uns eine kurze, einfache Etappe nach Samdo, mit 3800m keine 300 Höhenmeter über Samagaun. Hinter Samagaun geht es erstmal durch relativ offenes, grasiges Buschland. Nach links bieten sich großartige Blicke auf den Gletscher in Richtung des Base Camps. Heute morgen sind die Berge noch mehr angezuckert.

Nachts hat es recht stark geregnet und wir starten heute auch erstmals bei nicht so gutem Wetter, wobei der leichte Nieselregen aufhört, noch bevor es los geht. Größere Steigungen gibt es heute nicht. Das Tal des hier inzwischen geschrumpften Budhi Gandaki ist relativ weit. In der Ferne sind unbewachsene, braun-rote Bergflanken auszumachen. Dann wird es waldiger, es wachsen hier viele knorrige Birken, die herbstlich gefärbt sind. Die Bäume schauen uralt aus. Uns kommt eine Yak-Karawane entgegen und nach links ist ein weiterer, riesiger weißer Berg hoch über dem Tal zu sehen.

Schon bald sehen wir auf einem Hügel im Tal Gebäude: Samdo ist schon in Sicht. Auf dem Weg dorthin überqueren wir nochmals den Budhi Gandaki auf einer schönen, alten Brücke, bevor uns ein kurzer, steiler Anstieg hinauf in den Ort bringt. Unsere Unterkunft hier ist der Höhe entsprechend spartanisch und gleicht eher einem Rohbau. Auswirkungen der Höhe spüre ich bisher keine, außer, dass vielleicht etwas mehr Atemzüge nötig sind. Hoffentlich ist das ein gutes Zeichen und ich komme gut durch die beiden vor uns liegenden Tage. Den Akklimatisierungsausflug nach dem Mittagessen steil oberhalb des Ortes überstehe ich jedenfalls ohne Anzeichen der Höhe. Die Blicke von hier zurück nach Samagaun und in Richtung des Larke-Passes sind hier jedenfalls wieder nicht in Worte zu fassen. Leider ziehen später die Wolken etwas weiter runter, als wir wieder im Ort sind. Hoffentlich ist das die nächsten Tage nicht auch so.

Fortress

Tag 14 Samdo – Dharamsala

Doch, es ist so. Morgens beim Aufstehen regnet es. Zwar ganz ordentlich geschlafen (trotz zweier Hunde, die mal eine zeitlang bellen mussten). Aber es heute heute in voller Regenmontur los. Dinesh ist gut anderthalb Stunden früher gestartet, da es in Dharamsala nur für 12 Leute Lodgeplätze gibt. Der Rest darf ins Zelt. Der Weg hinter Samdo quert ein letztes Mal den Budhi Gandaki, inzwischen nur noch ein Bach. Dann geht es recht kontinuierlich bergan. Es schiebt sich eine ganze Karawane die Moränen hoch. Die riesigen Berge im Süden hängen leider zunächst in den Wolken. Ein paar mal schauen jedoch riesige Wände aus Fels und Eis durch gelegentliche Wolkenlücken.

Wir kommen gut voran, die meisten vor uns holen wir nach und nach ein. Deutliche Beschwerden wegen der Höhe habe ich weiterhin keine, aber das Gehen ist schon etwas anstrengender. Der Weg steigt weiter hoch über das Gletschertal an, die Blicke hinunter auf die Moränen sind atemberaubend. Dann kommt auch schon Dharamsala in Sicht. Eine bunte Ansammlung von Zelten und ein paar Hütten. Der Regen hat inzwischen aufgehört. Dort angekommen zeigt sich, dass Dinesh nur noch ein Zelt für uns bekommen hat. Nicht schlimm, denn die paar dunklen, klammen Zimmer der Lodge sind auch nicht sehr einladend. Pawan kündigt dann für uns nochmal einen Akklimatisierungsgang an. Daher gibt’s erstmal nur Tee. Wir steigen danach kapp 400 Höhenmeter den Hügel hinter den Zelten hinauf. Die Aussicht, auch Richtung pass, wird immer gigantischer. Als wir ca zweieinhalb Stunden später wieder unten sind, gibt’s erstmal Mittagessen und dann einen Nachmittag der Entspannung. Morgen ist schließlich der große Pass-Tag! Daher geht es auch schon um sieben Uhr „zu Bett“.

Dharamsala

Tag 15 – Dharamsala – Bimtang via Larke Pass

Der Wecker klingelt um 2:30 Uhr. Hätte es eigentlich gar nicht gebraucht, denn viel geschlafen hab ich eh nicht. Kalt wars mir zwar nicht. Aber sicher hat die Höhe doch Einfluss auf die Schlafqualität. Oder die brettharte Unterlage durch die nur dünne Matratze. Egal. Um halb vier gibt’s Frühstück und um vier geht’s los. Es ist ziemlich zapfig auf gut 4400m Höhe, auch weil es sternenklar ist und der Himmel dadurch irre aussieht. Haben wir tatsächlich den besten Tag für den Pass erwischt? Mit Stirnlampe geht es los unterm Sternenzelt. Der Mond ist nur noch eine schmale Sichel. Steil geht es zunächst in die Moränen. Die Umgebung ist im Schein der Stirnlampen nur zu erahnen. Es geht in einem Moränental stetig hoch, allerdings nicht steil. Langsam beginnt hinter uns die Dämmerung und die Bergriesen links und rechts sind schemenhaft zu erkennen

Wir passieren einen kleinen See links unter uns. An einem steileren Anstieg überhole ich eine Gruppe Trekker. Eine Frau setzt sich hin, kippt nach hinten um. Die Höhe setzt den Leuten zu. Ich fühle mich weiterhin gut. Die Dämmerung schreitet fort und die Gipfel und Moränen sind nun deutlich zu erkennen. Was für eine Landschaft. Immer wieder geht’s hoch, die Schritte werden schwerer, aber sonst merke ich nicht viel von der Höhe. Dann beginnt der erste Gipfel rechts von uns im Sonnenaufgang zu leuchten. Wunderschön!

Beacon

Weiter durch grobes Geröll, dazwischen Eis. An zwei flachen Senken kommen wir vorbei, die komplett gefroren sind. Links und rechts schießen Eiswände in die Höhe. Ein letzter Anstieg noch, dann sind wir tatsächlich am Pass auf 5106m über dem Meer! Mir geht es blendend! Gebetsfahnen, kaum Wind und wolkenloser, blauer Himmel – wir haben unbeschreibliches Glück und den besten vorstellbaren Tag getroffen! Und wir haben den Pass tatsächlich für uns.

Als die nächsten hinter uns kommen, inklusive Dinesh, starten wir den Abstieg. Es geht sehr steil über Moränengeröll in Serpentinen hinab, aber der Blick auf „neue“, himmelhohe Gipfel lenkt ab. Durch die Sonne ist es jetzt richtig heiß und der steile Abstieg zieht sich richtig. Dann riecht es plötzlich total nach Zimt und es ist tatsächlich keine Halluzination durch die Höhe. Pawan zeigt uns den Ursprung des Dufts: eine braune, unscheinbare, aber extrem geruchsintensive Pflanze. Tief unter uns breiten sich gigantische Moränen gleich mehrerer Gletscher vor uns aus, die von den Hängen nördlich herab fließen.

Wir erreichen flacheres Gelände und eine kleine Hütte, an der wir Pause machen und Tee trinken. Dann geht es wieder steiler am Rand eines gigantischen Moränenwalls hinab. Im Süden tauchen wieder weiße Gipfel auf – darunter der Manaslu! Bimtang kommt auch bald in Sicht, am Rande der Moräne in einem flachen Talkessel. Die schwierigste Etappe ist sehr gut geschafft! Nach Dal Bhat in der Mittagssonne gibt es noch fast die ganze 300g Tafel Schokolade. Das war einfach nötig! Am Nachmittag, nach einer kurzen Entspannungsphase, schaue ich nochmal auf die Moräne direkt hinter dem Dorf. Toller Ausblick von hier zurück auf den Manaslu. Beim Abendessen erzählt Pawan noch ein bißchen aus dem Nähkästchen, Geschichten, die er vor dem Pass nicht erzählen wollte. Zum Beispiel, was gewesen wäre, hätte einer von uns wegen der Höhenkrankheit nicht weiter gekonnt. Oder die Geschichte zweier norwegischer Mädels, die Stress gemacht haben in Dharamsala wegen der Unterkünfte. Oder, dass er schon jemand am Pass hat sterben sehen müssen. Nach dem Essen geht es nach der kurzen Nacht in Dharamsala früh ins Bett: in 11h und 20min klingelt der Wecker!

Tag 16 Bimtang – Dharapani

Der Schlaf war nötig nach der letzten Nacht und dem letzten Tag! Beim Aufwachen hängen die Wolken sehr tief und beim Frühstück regnet es. Was hatten wir für ein Glück mit dem Wetter gestern!? Um acht Uhr geht’s los, erst entlang der Moräne, dann durch das Moränental über einen Bach. Auf der anderen Seite geht es steil hoch und dann folgt für gut zwei Stunden einer der eindrucksvollsten Abschnitte des gesamten Treks. Es geht hinab durch einen Wald, wie ich ihn noch nie gesehen habe. Voller uralter Bäume, auf denen Farne und manchmal andere Bäume wachsen, mit bemoosten Stämmen und herabhängenden Flechten und jeder Mende Rhododendren. Ich komme aus dem Staunen (und Fotografieren) nicht mehr heraus und Pawan und die anderen müssen ein paar Mal länger auf mich warten. Aber einfach nur durch laufen kann ich hier einfach nicht.

Nach einer kurzen Pause an einem alleinstehenden Haus geht es kurz steil hinab an den Flusslauf des Dudh Khola, des Gegenstücks des Budhi Gandaki während des Aufstiegs. Dem Tal dieses Flusses werden wir den Rest des Treks folgen. Das Besondere hier sind die durch Flechten knallroten Steine im Flussbett. Dieses müssen wir aber immer wieder in kurzen steilen Anstiegen verlassen. Einmal sieht man im Rückblick nochmals einen weißen Riesen, könnte der Manaslu sein. Nach einer weiteren kurzen Pause laufen wir weiter Richtung Goa, wo wir Mittag machen. Den Wald haben wir inzwischen hinter uns gelassen und die Landschaft, bzw. das Tal, ist wieder etwas breiter. Es finden sich auch wieder mehr Spuren von Kultivierung, Felder und Mauern.

In Goa machen wir Pause an einer Lodge mit Blumenbeeten. Nach den frittierten Momos gibt es ein Snickers! Kurz hinter Goa wird es dann weniger schön. Der Trampelpfad weicht nun wieder einem breiteren Weg, der mit schwerem Gerät in den Hang gegraben ist. Hier besteht das Wandern eigentlich nur aus vor sich hin trotten, da auch die Landschaft nicht mehr so spektakulär und auch das Wetter eher komisch ist, sehr schwiemelig.  Wir passieren ein paar riesige Erdrutsche und queren den Fluss nochmal auf einer langen Hängebrücke, bevor wir Dharapani und damit auch das Annapurna-Gebiet erreichen. Nach einer Minute am Tourist Checkpoint weiß ich schon, dass ich diesen Trek nie gehen werde. Einfach zu viele Menschen! Wir kriegen auch direkt in der ersten Lodge keinen Platz, aber in der gegenüber. Die Etappe war heute unerwartet lang und anstrengend. Daher geht es auch wieder früh ins Bett – nach einem guten Dal Bhat selbstverständlich.

Tag 17 Dharapani – Syange

Ab heute geht’s also entlang des Annapurna Circuits und damit sind Menschenmassen zu erwarten. Wir starten um acht entlang der Jeeppiste. Gleich rumpeln uns die ersten Jeeps entgegen. Lauffaule können sich nämlich auch bis hier her (oder weiter) hoch karren lassen. Der Track ist schon kurz Dharapani kühn in den Fels gesprengt. Das Laufen hier geht natürlich relativ entspannt vonstatten, ist aber auf Dauer etwas eintönig. Zum Glück queren wir irgendwann den Fluss und folgen dem Track für Wanderer.

Der steigt gelegentlich auch hoch über den Fluss auf, als schmaler Weg in den steilen bis senkrechten Hängen. Inzwischen ist es auch schon wieder richtig warm, kurze Klamotten sind angesagt. Kurz vor Tal hat sich im Flussbett ein regelrechter Sandstrand gebildet. Tal selbst ist ein bunter, kleiner, sehr schöner Ort, in dem wir kurz Pause machen. Danach steigt der Weg kurz an, um danach steil wieder abzufallen. Viele Trekker kommen uns hier entgegen, bei so manchem ist kaum vorstellbar, wie er Thorong La, den Pass des Annapurna Circuits, schaffen soll. Es geht dann wieder steil hoch, während unten der Fluss über große Felsen in die Tiefe stürzt und weit oben im Gegenhang die Jeeps und Busse hupend auf sich aufmerksam machen. Wir queren dann abermals den Fluss und gelangen so wieder auf den Jeeptrack. Kurz darauf machen wir Mittagspause gegenüber von einem eindrucksvollen Wasserfall. Viel los ist hier. Anschließend geht’s weiter auf dem Jeeptrack. Nach einem steilen Anstieg erreichen wir schließlich Jagat, wo ich zunächst davon ausging, dass wir hierbleiben. Wir gehen jedoch noch eine gute halbe Stunde weiter nach Syange und steigen dort in einer schönen Lodge ab. Von hier aus wird uns der Weg morgen nur noch talauswärts in Richtung Besisahar bringen. Eine einmalig schöne Runde und ein unvergessliches Erlebnis neigt sich so seinem Ende zu.